Der andere Sommer
Wenn der Wind die Wellen der Gerste wiegt
und die Gischt des Hafers über die Fluren sprüht;
wenn der Reiher silbern die Wolken veredelt
und die Schwalbe kühner die Bögen segelt,
dann erscheint in den Dingen der Sommer
und drinnen, am Herzen, schlägts schöner und frommer.
*
An stillen Ufern wandert der weiße Schwan,
im Korn der Felder jubelt der Mohn –
und wir denken: alles hat einen Kahn,
der wohl schwankt, doch lebt, eine Zeitlang schon.
Und wir wissen: die Angst ruht eine Stunde –
ein Augenblick, wo alles bebt vor Kunde:
*
Der Kornblumen Blau umrahmt das Feld,
der Duft des Yasmin beschwört eine glückliche Welt,
den Buchen schenkt sich ein goldenes Licht
und aus den Winden meinen wir, es spricht.
Das könnte uns zagende Menschen versöhnen
und wir ließen gleich Kindern uns dankbar verwöhnen –
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verwöhnen von einer gütigen Hand,
die wir immer noch meiden wie glühenden Sand
in sterbender Zeit –
ich sage dies von ganz, ganz weit.
16.7.1991
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Abendrot
Hephaistos schürt seine goldene Esse,
im Westen flammt der Erdenkreis.
Der Tag singt seine letzte Messe
und gibt sich hin und wird ganz leis.
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Wer möchte da nicht auch mitsingen
und immer leiser in sich schwingen?
Wer wollte da sich nicht ergeben
und dankbar fühlen, dass wir schweben?
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Ich meine, schweben wie ein Hauch,
der nicht vergeht – geweihter Rauch.
Vielleicht auch wie ein lichter Klang:
verlöschend reiner Übergang.
Februar 1998
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Herbst-Symphonie
Der Herbst rollt seinen goldnen Teppich aus;
der Wind fegt herrscherlich durchs blaue Haus.
Von allen Bäumen regnen bunte Blätter;
es lärmt und tost ein Farbgewitter.
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In diesen Tanz heb ich mein Angesicht;
es prickelt, glüht und fühlt sich aufwärts schweben;
zum Blatt wird es, zum reinen Daseins-Licht,
an alle Weite lustvoll hingegeben.
*
Das Rauschen wirrer Winde trägt mich fort,
die Stimme wird mir jauchzend zur Sirene.
Ich fliege wie ein Falke Ort zu Ort –
und töne meine schönste Kantilene.
*
Sie tönt und spricht in zahllosen Gesängen,
die Welt erweitert sich zur Symphonie.
Und trotzdem gelten Stufen klar und Ränge,
das Chaos paart sich mit Geometrie.
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Das hält und trägt und formt die großen Rhythmen.
Es bleibt der Hochgedanke klar und rein –
die Geister der Natur sind Alchemisten,
sind Weise mit dem Gottesstein.
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Drum legt sich auch der Sturm der hohen Farben,
wie jetzt sich mein Gesicht still senkt.
Das Fest war Zeichen, flammendweite Garben
im Tod, der sich dem Unsichtbaren schenkt.
2.11.1999
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Poema Canaria
Fuerteventura ist eine Frau aus Schweden,
schlank, schwarzweiß, ewig windumtost;
sie atmet leise mit der Dünung
lila ein und lila aus
und wieder ein und wieder aus
und lässt entschlummert
ihre Haare frei
im blauen Meer hinfließen.
Welche Himmel, groß und weit,
wie Spiegel deines Elementes
spannen ungeheuer hoch sich über dir,
Geheimnis hinter sandigen Lidern, du!
Und welche dunkle Tiefe unter dir,
aus der du stiegst in Feuersäulen
und dich niederlegtest, um dich abzukühlen,
jetzt ein Zeichen der Zeitlosigkeit!
Ach, wer dich sah, sah andres noch,
nein sah es nicht, tief spürte er
den Urquell alles Lebens: reine Liebe,
unberechnet, ohne Zweifel,
nichts als Gabefreude:
uranfänglich wie ein Kind.
Wie anders auch!
So sanft, so zart, so aufmerksam und still,
wie Du die Muschel, dann den Stein aufhobst
und schließlich noch die blaue Qualle fandest,
die nach deinem Mitgefühl sich reckte
und vergeblich nicht um eins sich mühte:
schlicht Gesehenwerden.
Himmel ach, ich war nur Staunen,
stumm mein Mund, nur Anbetung
vor soviel Glanz und Liebesschönheit,
Gottes Schöpfung, Gottes Wort
an mich und Auftrag:
Ja, jetzt weiß ich, was mein
lebenslanges Scheitern soll. Denn auch
das Scheitern kann gebären, Gabe sein
und nichts erwarten, als vom Geben selbst
beschenkt, berauscht, beglückt zu sein.
Hier meine Antwort, die dich nie erreicht,
weil sie schon in dir ist:
der Seelenfunken Gottes,
tief aus dem Vulkan geboren,
wo wir waren,
strand-schwarz-sandig,
Wellenanprall
schicksallos in dieser Welt,
die einmal nur Begegnung gönnte,
um das höhere Geschick,
das einzig heilt,
zu offenbaren.
15.3.2017